Wenn Shaker auf Bauhaus trifft – zwei Welten, ein Prinzip
Es gibt Begegnungen, die sind still, aber tief. So wie jene zwischen zwei Gestaltungswelten, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben: den Shakern in Neuengland und der Bauhaus-Bewegung im Europa der 1920er Jahre. Und doch – wer genau hinschaut, entdeckt eine stille Verwandtschaft. Nicht durch Zufall hat die amerikanische Journalistin Mildred Jailer ihren Artikel über diesen Zusammenhang 1988 mit "When Shaker meets Bauhaus" betitelt.
Ich möchte dich heute auf eine kleine gedankliche Reise mitnehmen. Von den klaren Linien einer Shaker-Kommode bis zur funktionalen Strenge eines Bauhaus-Stuhls. Was verbindet diese beiden Welten – getrennt durch einen Ozean und ein Jahrhundert?
Form folgt Funktion – in beiden Lagern
Die Shaker lebten in einer spirituellen Gemeinschaft. Für sie war das Handwerk Ausdruck des Glaubens: Alles sollte nützlich, haltbar, schön in seiner Schlichtheit sein. Kein Zierrat, kein Prunk. Ein Stuhl hatte zu dienen – nicht zu glänzen.
Das Bauhaus wiederum suchte nach einer neuen Ästhetik für das Industriezeitalter: rationell, reduziert, zweckmäßig. Auch hier galt: Die Form entsteht aus der Funktion. Die Designer des Bauhauses wollten den Alltag gestalten – und taten es mit demselben Ernst wie die Shaker, wenn auch aus ganz anderem Antrieb.
Bilder von eigenen Museumsbesuchen 2024/ Bauhaus
Zwei Haltungen – ein Geist
Was die beiden wirklich eint, ist nicht ein Stil – sondern eine Haltung. Beide standen für Klarheit, Konzentration und eine fast radikale Ehrlichkeit im Material. Bei den Shakern war es Holz, schlicht verarbeitet, langlebig gebaut. Beim Bauhaus war es vorwiegend Stahl, Glas, Stoff – in neuen Kombinationen, aber mit ähnlicher Konsequenz.
Und vielleicht ist es genau das, was ihre Möbel bis heute so faszinierend macht: Sie schreien nicht. Sie flüstern. Und sie stehen für eine innere Ordnung, die man sehen – und fühlen – kann.
Was wir heute daraus mitnehmen können
Für mich als Möbeltischler, der sich seit über drei Jahrzehnten mit Shakermöbeln beschäftigt, ist diese Verbindung mehr als ein historischer Zufall. Sie zeigt: Gutes Design braucht keine Mode – sondern Überzeugung. Es lebt nicht aus dem Effekt. Und es besteht – wenn es ehrlich gemeint ist.
Vielleicht liegt genau darin die (leise) Kraft beider Bewegungen. Und vielleicht ist es kein Wunder, dass ich in beiden eine Heimat gefunden habe – mit der Hand am Holz und dem Herzen bei den Dingen, die bleiben.
June Sprigg:
„Shaker design is not a style, it is a discipline.“
„Shaker-Design ist kein Stil – es ist eine Disziplin.“
Ein Plädoyer für Haltung statt Moden: Gestaltung als gelebte Konsequenz.
P.S. Wer tiefer eintauchen möchte: Der Originalartikel von Mildred Jailer erschien am 25. Juli 1988 im Christian Science Monitor.
kurze Lektüre
Links zu Bauhaus-Museen in Deutschland
Berlin: https://www.bauhaus.de/de/
Dessau: https://bauhaus-dessau.de/orte/bauhaus-museum-dessau/
Weimar:https://www.klassik-stiftung.de/en/bauhaus-museum-weimar/
Alfeld: https://www.fagus-werk.com/de/
Fahr' doch mal hin, das lohnt sich!
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