Deutschland und seine Meister… und wie war das für mich?
Nachdem ich den Beruf des Tischlers als meinen 2. Beruf erlernt hatte und es nach der 4.unbefriedigenden Arbeitsstelle nicht richtig weiterging, gab es nur den Weg nach vorn: was ich schon immer werden wollte – Meister. Und zwar selbstbestimmt.
Holzfachschule Bad Wildungen, ein halbes Jahr Vollzeitunterricht und zum Abschluss: das Meisterstück. Dazu braucht man dann spätestens eine Idee. Vorgabe: Sie sollte herausfordernd, kreativ und mutig meisterlich ausgeführt werden. Ein Beweis für praktische Fähigkeiten und Kompetenz. Die Planung und Zeichnung entstand schon in dieser Zeit. Also konnte es nun losgehen – aber wo?
Eine kleine Tischlerei im Eichsfeld mit 2 Beschäftigten gab mir die Möglichkeit, mein Meisterstück bei ihnen zu machen. Das war echt menschlich und ich bin noch heute dafür dankbar, dass ich, gefühlt Tag und Nacht und sogar an den Osterfeiertagen1984, dort arbeiten konnte. Diese Zeit ist immer knapp bemessen. Gutes, meist teures Material muss beschafft werden und der Kampf mit „unbekannten“ Maschinen, Werkzeug und Werkstattgegebenheiten begann. Mein Meisterstück sollte ein Damensekretär aus Kirschbaum für meine Frau werden. Formal angelehnt an ein Schreibmöbel von Ruehlmann mit einer thematisch passenden Intarsia eines Möbels von David Roentgen. Mein Meisterstück war auch echt schwierig – mit einem dreh- und durch eine eine Kurve absenkbaren Deckel, den ich zuvor noch im 1:1 Modell testen musste, Geheimfach, Vollauszüge für Schübe aus Holz usw.. Beschlagteile musste ich anfertigen lassen – Kurzum: All das kostet Zeit, Geld und extrem viel Nerven.
Wie es zu der Idee kam und warum ich überhaupt dieses Möbel machte -
Ich liebe meinen Beruf von Anfang an. Das begann mit dem schönen Holzgeruch in der kleinen Werkstatt meines Großvaters und setzte sich in großem Interesse an den alten Ebenisten, Meistern des Möbelbaus fort. Bücher aus der Bibliothek und Museumsbesuche mit meiner Freundin (und späteren Ehefrau) konnten meine Begierde kaum stillen. Ein einschneidendes Erlebnis Jahre zuvor war der Besuch im Köpenicker Kunstgewerbemuseum, als einem Botschafter nebst Delegation der Schreibschrank des berühmten Möbelbauers David Roentgen vorgeführt wurde (wir durften glücklicherweise dabeibleiben). Mit seinen mechanischen trickreichen Spielereien eröffnete sich uns eine Wunderwelt. Das Äußere seiner Möbel war schon faszinierend mit schönen Motiven des Japonismus verziert, aber das Innere bekam man fast nie zu sehen.
Also, eine Intarsie sollte mit auf dem gewölbten Deckel des fast zierlichen Möbels erscheinen - ein Motiv von David Roentgen. Schön und gut- diese wurde aber zur Bewertung des Möbels nicht berücksichtigt – und stellte dann doch eine große zusätzliche Herausforderung dar, denn nach sorgfältigem Pressen (also Aufleimen des Furniers) in einer anderen Werkstatt hatten die eingelegten Holzteile nicht richtig geleimt –Katastrophe! In großer Verzweiflung und einem Bügeleisen, habe ich es dann doch noch hinbekommen und es hält bis heute. Diese Füllungsplatte bog sich dann innerhalb von zwei Tagen von selbst annähernd in die spätere Form des Deckels, ohne mein Zutun.
Früher wurde der Meisterbrief fast prunkvoll gestaltet, denn er hing dann im Haus oder Büro an exponierter Stelle und alle waren stolz darauf.
Dieser hier war eher enttäuschend "schlicht" gehalten - aber das ist auch bald 40 Jahre her ...
Nach dem ganzen Stress kam nun der Tag der Wahrheit. Abgabe, Jury, Verkündigung. Die Luft knisterte förmlich bis die Ergebnisse bekanntgegeben wurden. Mein Name wurde ziemlich zum Schluss genannt – also bestanden!
Als ich erleichtert da herauskam, stürzte mein kaum 2 jähriger Sohn David auf wackeligen Beinen freudig auf mich zu und umarmte mich – einer der schönsten Momente in meinem Leben … und wenn ich mich heute daran erinnere, kommen mir fast die Tränen… Aber danach wurde es erst recht hart…
link Wikipedia David Roentgen